Tackling und American Football. Zwei untrennbare Begriffe und oftmals der Grund warum Spieler:innen und Coaches ihren Sport so lieben. Der Moment des Kontakts, das Scheppern der Ausrüstung und zu wissen, dass der Spielzug beendet sind, eine Flut der Emotionen.
Impact, Impact, Impact
Auch wenn es so relevant ist, ist das Tackling doch eine Belastung. Vor allem die Spieler:innen sind es, die ihre Blessuren davon tragen. Auf der einen Seite die Defense, der Aggressor, der durch das Training des Tacklings sicher besser wird. Auf der anderen Seite die Offense, der Empfänger des Tacklings. Die Natur des Tacklings kennt im Spielbetrieb nur ein Ziel. Den Gegner zu Boden zu bringen, dabei sind viele Mittel recht. Im Training jedoch stellt dies auch eine Hürde da.
Sicheres Tackling über allem?
Gut trainieren kann eine Football-Mannschaft mit mindestens 22 gesunden Spieler:innen auf dem Feld. Auch wenn das Tackling der präsenteste Momente in den meisten Spielzügen ist, lebt das Spiel dennoch von Taktikten und Spielzügen. Dies zu installieren und zu wiederholen schaffe ich vor allem dann wenn die Mannschaft regelmäßig mit hoher Qualität zusammen kommt. Vor allem in der Offense sind Timing und Abstimmung essenziel.
Das Dilemma
Auf der einen Seite verbessere ich Fähigkeiten, wenn ich sie 100% durchziehe und trainiere, auf der anderen Seite brauche viele Wiederholungen in möglichst unveränderten Set Up, um zu funktionieren. Ein Dilemma. Ist Full Contact immer die beste Möglichkeit für meine Mannschaft? Oder mache ich mir vor allem in Phasen, in denen Unsicherheit (neue Plays, Wiedereinstieg, etc.) zu viel kaputt in dem meiner Offense neben den eigenen Denkprozessen noch das Gefühl vermittle Freiwild zu sein?
Die Abhilfe
Genau in solchen Momenten bietet sich auch das Wrap Up Tackle an. Tackling lebt nicht nur von maximaler Gewalt sondern von Techniken und Mechaniken. Diese kann ich auch Fullspeed trainieren ohne, dass ich meinen Gegenüber in Grund und Boden rammen muss. Jörn Scholl beschreibt in seinem Buch "Develop Tacklers", wie ich als Defense Coach diese Techniken anwenden und stufenweise vermitteln kann.
Stufen des Kontaktes
Im Laufe der Pre Saison, im Camp oder InSeason ist es wichtig den Kontakt der Athleten im Training zu steuern. Es muss zu einer sinnvollen Progression der Stufen des Kontaktes kommen, die es den Athleten ermöglicht, Techniken sicher zu erlernen, sie kontrolliert zu erproben, in Spielsituationen einzusetzen aber auch Belastungen in der Saison wieder zu verringern, indem Stufen des Kontaktes mit und ohne Ausrüstung angepasst werden.
Für die jeweiligen Drills und für die Kommunikation mit den Spielern ist es wichtig eine gemeinsame Sprache zu etablieren, die die unterschiedlichen Stufen des Kontaktes definiert. Diese Stufen dienen dazu, die jeweilige körperliche Belastung zu reduzieren oder zu erweitern und einen Fokus auf bestimmte Aspekte zu legen, welche im Weiteren dargelegt werden.
Hand-Punch (Palms Down)
Der 2-Hand Punch eignet sich besonders für kontaktfreie oder noch unbekannte (neu-einzuführende) Drills. Er bildet die korrekte Technik nach und bereitet den Punch and Wrap eines Tackles vor. Durch diese Technik wird der Tackler gezwungen, seine Schultern zu senken und seine Hände innerhalb des Körperrahmens zu positionieren.
Hierbei liegt der Fokus darauf, die offenen Handflächen an die Hüfte des Ballträgers zu bringen und somit die Ausgangsposition des Punch und Wrap zu simulieren. Die Ellenbogen sollen dabei eng am Brustkorb anliegen und die Hände in einem simulierten Punch nach vorne gestoßen werden. Genutzt wird die Technik insbesondere in Pre-Contact Drills. Der 2-Hand Punch simuliert insbesondere das Absinken der Schultern und bereitet so den Near-Shoulder Contact vor. Durch das Berühren der Hüfte wird der Tackler zu seinem Leverage geführt.
Somit kann man das Akronym BALL verwenden, welches die Technik des 2-Hand-Punches in einem kurzen Wort vereint: BE AT YOUR LEVERAGE.
Wrap Up
Die Wrap Up Technik ergänzt den 2-Hand Punch. Hier werden die Elemente des Punches and Wrap und Squeeze hinzugefügt, welche durch einen Drive-for-Five der Fußarbeit ergänzt werden. Somit erweitert die Wrap Up Technik das Kompetenzrepertoire des Defenders erneut. Die Wrap Up Technik ermöglicht dem Tackler, sein Timing des Strikes zu verbessern und zu üben. Wichtig hierbei ist es, dass beim Kontakt der nahe Fuß mit den Zehenspitzen auf dem Boden ist, um so die maximale Kraft in den Tackle zu bringen (Drive aus dem Standbein heraus). Anders als beim 2-Hand Punch connected der Tackler im Wrap Up mit dem Ballträger und setzt einen Shoulder Strike ein. Es wird demnach vom Tackler verlangt, einen Tackle unter Kontrolle des eigenen Körpers und des Ballträgers durchzuführen. Ziel ist es, die Distanz zwischen Ballträger und Tackler durch den Wrap Up zu minimieren und Körper an Körper zu bringen. Jedoch darf es keinen Take-Down geben, sondern beide Spieler müssen auf ihren Füßen bleiben.
Somit kann das Akronym TUC verwendet werden, welches TACKLE UNDER COTROL bedeutet.
Live-Contact
Live-Contact ist für eine Spielvorbereitung enorm wichtig, soll aber nur in positiven Tackle Situation genutzt werden. Im Live-Contact ist der Spieler gefordert, alle Elemente des Pre- und Post Kontaktes zu vereinen und anzuwenden. Beim Live-Contact kann der Ballträger zu Boden gebracht werden. Wichtig ist, dass die Spieler den Kontakt nicht unterhalb der Hüfte setzen, sondern, dass der Tackle in der Strike Zone gesetzt wird.
Als Akronym bietet sich für den Sprachgebrauch im Training das Wort THUD (TACKLE HIGH UNTIL DOMINATION) an.
Take Home Message
Tackling. Wir lieben es. Den Impact zu entschärfen bietet nicht nur Nachteile. Mechaniken wie die Beinarbeit, Kontrolle oder Optimierung der Winkel kann dadurch auch verbessert werden. Hier das Augenmerk zu legen und zu coachen kann entsprechend positiv bei der Umsetzung eines sicheren Tacklings sein. Als Coach ist es vor allem an uns mit diesen Anforderungen umzugehen und das Tackling kleinteiliger zu betrachten und zu coachen. Der höchste Impact, das lauteste Scheppern kann wirken darf aber auch nicht als sichersten Tackling verstanden werden. Wichtiger als hoher Impact ist die Reproduzierbarkeit. Hierbei können 2-Hand-Punch und Wrap definitv helfen.
Text: Sebastian Ayernschmalz mit freundlicher Freigabe von Jörn Scholl zur Verwendung der Herangehensweise "Stufen des Kontakt" aus "Develop tacklers"
https://www.amazon.de/Develop-Tacklers-J%C3%B6rn-Scholl-ebook/dp/B09QXYRTG4
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